Während große Teile der Sammlung Klassischer Moderne aus Ankäufen Anfang der 1950er Jahre stammen, hat ein erstes Provenienzforschungsprojekt am LHM gezeigt, dass es neben alter Kunst Bestände an Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, seinerzeit also Gegenwartskunst, und bedeutende historische wie moderne Grafikbestände bereits vor dem Zweiten Weltkrieg am LHM gegeben hat. Dies ist bemerkenswert, weil das aus Mitteln der Dürener Industriellenfamilie Leopold Hoesch errichtete Museum bei seiner Eröffnung 1905 zunächst über keine eigene Sammlung verfügte, sondern als Ausstellungshaus für archäologische, regional- und kulturgeschichtliche Themen fungierte. Erst in den 1930er Jahren begann man eine eigene Sammlung aufzubauen und anlässlich der Eröffnung einer neuen Gemäldegalerie mit Dauerleihgaben aus dem Wallraf-Richartz-Museum Köln wurde das LHM 1939 als „reines Kunstmuseum“ bezeichnet.
Die Entwicklung der Sammlung unterstützen seit seiner Gründung 1905 der am LHM ansässige, mitgliederbasierte Museumsverein Düren e.V. und die ihm 1990 angegliederte Josef Zilcken Kunst- und Kulturförderungs gGmbH. Ebenso werden die Sammlungen ergänzt durch private Schenkungen wie der Sammlung Frerich, der Madame Thelen-Stiftung oder dem Dahlmann-Preis.
Schließlich besteht aufgrund des assoziierten Papiermuseums Düren und der zwischen 1986 und 2005 veranstalteten Papierbiennalen Paper Art ein spezieller Bereich der Sammlung aus zeitgenössischer Papierkunst. Neben den Kunstsammlungen umfasst der Bestand des LHM archäologische Funde aus der Region und kulturhistorische Objekte.
Adolf Hoelzel, o.T., um 1930, Foto: Peter Hinschläger
Erich Heckel, Mädchen am Tisch, 1913, Foto: Peter Hinschläger
Max Beckmann, Selbstbildnis mit steifem Hut, 1921, Foto: Peter Hinschläger
Franz Marc, Geburt der Pferde, 1913, Foto: Peter Hinschläger
Der grafische Bestand des LHM umfasst annähernd 10.000 Blätter. Mit der Gründung des Museums 1905 wurde schrittweise damit begonnen, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken zu sammeln. Bis in die 1940er Jahre umfasste die grafische Sammlung hauptsächlich Kupferstiche bekannter Illustratoren und Karikaturisten des 18. und 19. Jahrhunderts. Sie veranschaulichen die illustrativen, künstlerischen, gestalterischen und drucktechnischen Aspekte des Buch- und Schriftwesens und die beim Bürgertum populäre Reproduktionsgrafik mit Wiedergaben berühmter Kunstwerke. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei der Bestand an Guckkastenbildern ein. Perspektivisch angelegte Ansichten von europäischen Städten und deren Sehenswürdigkeiten, idealisierte Ansichten und Fantasiemotive, gestochen und auch verlegt z.B. von Georg Balthasar Probst (1732-1801) wurden als Jahrmarktsattraktionen in einem hinterleuchteten Guckkasten dem Publikum vorgeführt. Solchen Guckkastenbildern kamen gleichermaßen eine unterhaltende wie auch eine bildende Funktion zu und ihre Betrachtung in entsprechenden Schaugeräten kann als ein frühes Massenmedium bezeichnet werden.
Bei der Zerstörung Dürens 1944 ging ein Teil der Kunstwerke des LHM verloren und mit der Weiterentwicklung der Kunstsammlungen nach dem Zweiten Weltkrieg gleicht sich der grafische Teil der Bestände zunehmend der Ausrichtung der Gemäldesammlung an. Ein wichtiger früher Sammlungsschwerpunkt lag dabei neben grafischen Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts auf Druckgrafik der Klassischen Moderne, insbesondere des Expressionismus'. Einen Kernbestand an Arbeiten auf Papier bildete dabei der Ankauf einer grafischen Sammlung aus dem Nachlass des Dürener Künstlers und Sammlers Hans Beckers (1898-1951). Sie legten mit fast 500 Werken den Grundstock der grafischen Sammlung nach dem Zweiten Weltkrieg. Ergänzt durch einzelne, qualitativ wertvolle Grafiken des 17. und 18. Jahrhunderts lag das Augenmerk seiner Sammlertätigkeit auf Zeichnungen und Drucken des 19. und 20. Jahrhunderts und schon frühzeitig erkannte Hans Beckers den beeindruckenden Beitrag zur Moderne, den die Expressionisten mit ihren druckgrafischen Blättern geleistet hatten. Hierauf aufbauend bereicherten in den Folgejahren Ankäufe von Lithografien, Holzschnitten und Zeichnungen von Künstler*innen der Brücke und des Blauen Reiters, aber auch von Einzelgängern wie Max Beckmann, Otto Dix oder Lyonel Feininger den grafischen Sammlungsbestand des LHM.
Ab 2015 wurde in einem dreijährigen Forschungsprojekt auch die Provenienz von Aquarellen, Handzeichnungen, Druckgrafiken und Fotografien untersucht, soweit sie ab 1933 in die Sammlung des LHM gekommen waren. Durch die Auswertung von Sammlermarken, die sich teilweise auf den Grafiken befinden, konnte festgestellt werden, dass einige Werke, die in den 1930er Jahren gekauft worden waren, aus NS-verfolgungsbedingt veräußertem Besitz stammen. Hiervon wurde ein Großteil bereits restituiert, soweit Erbberechtigte ausfindig gemacht werden konnten.
Der Ausbau des grafischen Sammlungsbestands wurde in den 1960er Jahren mit Werken moderner und zeitgenössischer Kunst konsequent fortgesetzt. Zu dieser Zeit konzentrierten sich die Ausstellungen des LHM und die daraus resultierenden Erwerbungen auf abstrakte, informelle und konkrete Kunst, etwa von Pierre Soulages, Almir Mavignier, Karl Gerstner, Karl Fred Dahmen oder Hans Hartung. Auch die seit 2004 am LHM bestehende Hubertus Schoeller Stiftung sowie die 1986 gegründete Günther-Peill-Stiftung erweitern mit Werken die grafische Sammlung des Museums. Eine Schenkung des Kölner Sammlers Dr. Günter Frerich bildet seit 2012 mit rund 400 Zeichnungen und Druckgrafiken zum Thema Selbstporträt einen neuen Schwerpunkt im Grafikbestand des LHM, der die Selbstbildnisse von Künstler*innen der Klassischen Moderne sowohl in der Gemälde- als auch in der Grafiksammlung substanziell ergänzt.
Papier ist ein historischer Werkstoff, seine Nutzung als autonomes künstlerisches Medium ist jedoch relativ jung. Einhergehend mit der Renaissance der handwerklichen Papierherstellung und dem künstlerischen Arbeiten mit dem Rohstoff Pulp etablierte sich in 1970er Jahren in den USA der Begriff Paper Art. Als neuartige Bewegung in der Kunst erreichte die Papierkunst Anfang der 1980er Jahre Europa.
Ausstellungen mit Kunst aus Papier wurden damals ein Schwerpunkt im Ausstellungsprogramm des LHM. Sie starteten 1986 mit der ersten Internationalen Biennale der Papierkunst „Paper Art - Handgeschöpftes“, gewannen mit der Gründung des Papiermuseums Düren 1990 an Bedeutung und fanden bis 2005 zu wechselnden Themen statt.
Mit Beginn der 1980er Jahre setzen Ankäufe und Schenkungen im Bereich Papierkunst ein und etablieren einen neuen Sammlungsbereich im LHM. Seither hat sich die Kunst aus Papier in unterschiedlichen Erscheinungsformen manifestiert. Der Werkstoff Papier transportiert die Aussage eines Kunstwerks speziell über seine spezifischen materiellen Eigenschaften. Zu den Klassikern der Papierkunst gehört Jiří Kolář, der mit Schichtung und Stauchung von fotografischen Bildern und gedruckten Texteinheiten optisch verfremdete Collage-Objekte schuf. Der Künstler Oskar Holweck arbeitete mit charakteristischen Schnitt- und Reißtechniken, Günther Ueckers Umgang mit der seriell angelegte Prägung. Andreas von Weizsäcker richtete als Professor an der Akademie der bildenden Künste in München erstmals eine Papierwerkstatt für Kunststudent*innen an einer deutschen Kunsthochschule ein. Seine Papierarbeiten bestehen vor allem aus großformatigen Abformungen figurativer Skulpturen unter Verwendung handgeschöpfter Papiere und Umnutzung von Massendruckerzeugnissen wie beispielsweise Stadtplänen. Wolfgang Binding schuf räumliche Papierreliefs aus Pappmaché, während Bertram Jesdinsky als ehemaliger Stipendiat der Günther-Peill-Stiftung Wellpappe und Epoxidharz, aber auch gefundene Objekte nutzt für seine Giraffe, die insofern eine Grenzgängerin der Papierkunst ist. Die Feuergouachen von Bernard Aubertin hingegen öffnen den Raum über die Fläche des Papierbogens und stellen so Verbindungen her zu Konzepten moderner Malerei. Künstler*innenbücher aus Papier und Karton von beispielsweise Herbert Zangs, Barbara Fahrner, A.R. Penck, Warja Lavater oder Jirí Hynek Kocman hinterfragen als autonome Kunstwerke das herkömmliche Buchformat und die konventionelle Buchnutzung. Gleichzeitig wenden sie formale Eigenschaften des Buches an, erweitern so die Vorstellung dessen, was ein Buch sein kann und integrieren Kriterien der Malerei, der Plastik und des Performativen. Der Bestand an Künstler*innenbücher bildet inzwischen einen wichtigen Teil der Sammlung Papierkunst am LHM.
Ursula Schultze-Blum, Die Zwei und das Tier, 1989, Foto: Peter Hinschläger
Kunsttransport am LHM
Um Kunst möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen und ganze Geschichten mit Ausstellungen erzählen zu können, gibt es unter Ausstellungshäusern einen regen Leihverkehr. Einzelne Werke oder ganze Konvolute werden für Wechselausstellungen an andere Museen oder Institutionen verliehen oder von diesen geliehen. Manchmal werden Werke auch als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt, beispielsweise, wenn Kunstsammler Werke aus ihrem Privatbesitz für mehrere Jahre in ein Museum geben, damit sich auch die Öffentlichkeit ihrer erfreuen kann.
Auch das LHM verleiht Werke aus seinen Sammlungen an andere Museen und Ausstellungshäuser, damit diese international in Ausstellungen gezeigt werden können.
Hier erfahrt ihr, welche Werke aus dem LHM aktuell „auf Reisen" sind oder sein werden und in welchen Ausstellungen sie gezeigt werden.
18.3. – 23.7.23
Ursula Schultze-Blum, Die Zwei und das Tier, 1989 und Selbstbildnis, 1977 Museum Ludwig, Köln: Ursula – Das bin ich. Na und? 18.3. – 23.7.23
27.1. – 20.5.24
Max Beckmann, Kirche in Marseille, 1931 Kunstmuseum Den Haag: „Max Beckmann: Spaces"
23.3. – 18.8.24
Jef Verheyen, Lichtstrom, 1962 und Lucio Fontana, Concetto spaziale cratere, 1968 Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen
Die Entwicklung der Sammlung unterstützen seit seiner Gründung 1905 der am LHM ansässige, mitgliederbasierte Museumsverein Düren e.V. und die ihm 1990 angegliederte Josef Zilcken Kunst- und Kulturförderungs gGmbH. Ebenso werden die Sammlungen ergänzt durch private Schenkungen wie der Sammlung Frerich, der Madame Thelen-Stiftung oder dem Dahlmann-Preis.
Die Sammlungskataloge sind im Museumsshop erhältlich.
Unsere Werte. Sammlungen und Stiftungen Leopold-Hoesch-Museum und Papiermuseum Düren, Hrsg. Renate Goldmann, Leopold-Hoesch-Museum, Düren 2012, 21,5 x 27 cm, 224 Seiten, 300 Abb. in Farbe, geb., Foto: Peter HinschlägerMax Beckmann, Kirche in Marseille, 1931, Foto: Peter Hinschläger