Die als Corona-Tagebuch bezeichnete Bildreihe ist über die Dauer von 107 Tagen entstanden und markiert den Zeitraum vom Tag der Krebsdiagnose des Vaters der Künstlerin bis zu seinem Todestag. Während dieser erste Tag mit dem Beginn des pandemiebedingten Besuchsverbots in deutschen Krankenhäusern zusammenfiel, lag der letzte Tag in einer Zeit, in der die Pandemie bereits beängstigende Ausmaße angenommen hatte. Die Analogie im Sinnbildhaften liegt in einer Parallelentwicklung, die von einem Erschre-cken ausgeht, das gepaart ist mit Hoffnung, Mut und Verzweiflung, und an einen finalen Punkt gelangt, der eine Endgültigkeit markiert, die auch zur Ruhe kommen lässt. Insofern steht der persönliche Weg, der in dieser Zeit zurückgelegt worden ist, durchaus auch konträr zu den Empfindungen, die die Corona-Pandemie wohl bei den meisten Betroffenen auslösen mag.
Alle Blätter des Corona-Tagebuchs sind betitelt – wie üblich bei den Werken der Künstlerin, die 2011 / 2012 mit „Cassiopeia und der Alberich“ bereits eine große Einzelausstellung im Leopold-Hoesch-Museum Düren hatte. Das erste Blatt nimmt den Begriff des Mähens ganz wörtlich: Aus der banalen, in ihrer Einfachheit aber vielleicht auch tröstlichen Tätigkeit des Rasenmähens wird Zuversicht geschöpft. Und auch der weitere, zum Zeitpunkt des Entstehens ja nicht absehbare Verlauf des Zyklus‘ ist geprägt von Momentaufnahmen des alltäglichen Lebens. Zunehmend wird diese Abfolge aber durchsetzt von Erfahrungen der Sorge, der Überforderung, der Angst und des Traums. Und fast alle Bildmotive werden dominiert von einem stilisierten Repräsentanten des Corona-Virus‘, so wie er medial verbreitet wurde und sich als Bild etabliert hat, noch bevor er genauer erforscht werden konnte. Formalästhetisch rufen die Motive des Zyklus‘ aber keineswegs nur Schrecken hervor, sondern zeugen auch von Humor und der Fähigkeit zu diffe-renzierter Wahrnehmung.
Die Ausstellung „Alex Müller – Vom Mähen zum Frieden“ setzt damit ein Zeichen in einer Zeit großer Verunsicherung, gleichzeitig transportiert sie ein positives Signal und weist insofern über den aktuellen Anlass hinaus, als dass sie in einer unmittelbaren künstlerischen Auseinandersetzung Persönliches mit Gesellschaftlichem verknüpft und so Zusammenhänge aufzeigt, die wesentlich sind für die Verarbeitung von krisenhaften Situationen.